Hufrehe

“Die Wohlstandskrankheit überversorgter Pferde“?

Als Hufrehe wird eine schmerzhafte Entzündung der gesamten Huflederhaut bezeichnet, die jedoch nicht, wie etwa bei einem Hufabszess, durch eine Infektion entsteht.

Ursache: Das voll ausgeprägte Krankheitsbild ist die Folge einer Kette von Abläufen im Körper. Bei der sogenannten toxischen (Vergiftungs-) Rehe werden die Darmbakterien des Pferdes durch plötzliche Futterumstellungen geschädigt und sterben im großem Umfang ab. Dabei treten Giftstoffe aus der Bakterienwand über den Darm in den Körper und bewirken die Bildung von Blutgerinnseln, die sich in den kleinen Blutgefäßen der Huflederhaut festsetzen und die Durchblutung dort erheblich stören. Der einsetzende Schmerz führt zusätzlich zu Krämpfen der Blutgefäße, die das Problem verschlimmern. Zur toxischen Rehe können führen:
– Leicht Vergärbahre, rohfaserarme Futtermittel in ungewohnten Mengen, etwa frisches Weidegras.

– Plötzliche übermäßige Aufnahme von energiereichem Kraftfutter wie Gerste, Roggen, Weizen und Mais, sowie überstürztes Trinken von kaltem Wasser bei erhitztem Körper.

– Schließlich kann die toxische Hufrehe durch Nachgeburtsverhaltung mit anschließender Infektion des Uterus auftreten.

Belastungsrehen entstehen durch übermäßige Arbeit auf hartem Untergrund mit dauernder Prellung und Quetschung des Hufbeins oder aufgrund schmerzhafter Prozesse an einem Bein. Das andere Gliedmaß muß dann längere Zeit hindurch das gesamte Gewicht aufnehmen und kann an einer Belastungsrehe erkranken. Außerdem gibt es weitere, den bisher erwähnten Kategorien nicht eindeutig zuzuordnenden Rehegründe:
– Giftstoffe aus Futterpflanzen
– Hormonelle Störungen
– Nebenwirkungen einiger Medikamente. Hufrehe tritt bevorzugt an den Vorderbeinen auf, es können aber auch die Hinterbeine, alle vier Gliedmaße oder nur ein einzelner Huf betroffen sein.

Symptome: Die Pferde mit vollem Krankheitsbild haben starke Schmerzen, häufig werden erhöhte Puls- und Atemfrequenzen sowie ausgeprägtes Schwitzen beobachtet. Sind die Vorderbeine betroffen, ist eine Körperstellung mit weit untertretenden Hinterbeinen charakteristisch, um die erkrankten Vorderhufe nur im Trachtenbereich (Trachtenfußung), nicht aber über die Zehe zu belasten.

Einige Pferde legen sich ab. In der Bewegung zeigt das Pferd einen steifen “klammen“ Gang, die Schritte sind kurz und schnell. Typisch ist auch eine verstärkte Pulsation der Gliedmaßenarterien. Die Vordergliedmaßen können nur mit Mühe oder gar nicht aufgehoben werden, an der Zehenwand zeigt das Pferd schon bei geringem Druck sehr erhebliche Schmerzen und vermehrte Wärme in diesem Bereich. Dieses Krankheitsbild ist auf eine mehr oder weniger ausgedehnte Lösung des Aufhängeapparates des Hufbeines zurückzuführen. Einen genauen Befund und Grad der Erkrankung kann nur das Röntgenbild liefern.

Behandlung: Die Behandlung sollte innerhalb der ersten zwölf Stunden einsetzen. Jede Verzögerung kann das Krankheitsbild verschlimmern. Durch die Entzündung lockert sich die Verbindung der Hornblättchen von den Wandlederhautblättchen. An dieser Stelle bildet die Wandlederhaut lockeres Weichhorn, das den entstandenen Zwischenraum ausfüllt. Diese Veränderung tritt dann nach einiger Zeit als sogenannte Verbreiterung der weißen Linie am Tragerand auf. Das Horn hat ein typisches längsfaseriges Aussehen. Da das Gewicht des Pferdes aber weiter auf den Huf einwirkt, kann sich das Hufbein in Form von Senkung und Rotation aus seiner normalen Position bewegen und im Extremfall durch die Hufsohle nach außen brechen. Es kommt weiterhin zu einem Einsinken der Krone durch die Rotation. Auch das Strahlbein kann Veränderungen im Rahmen der Rehe erleiden.

Durch die hochgradige Rotation des Hufbeins wird der Druck der tiefen Beugesehne auf das Strahlbein verringert. Dadurch bildet sich eine Strukturatrophie des Strahlbeins aus. Im Strahlbein findet eine röntgenologisch erkennbare Entkalkung statt. Die Struktur des Knochens, im Röntgenbild deutlich sichtbar, lockert sich auf. Die Form des Strahlbeins verändert sich nicht. Die Therapie besteht daher in der Verabreichung von Medikamenten, die die Entzündung regulieren und die Krämpfe der Blutgefäße lösen. Das Ziel ist eine Normalisierung der Durchblutung, der Abbau der Entzündungsprodukte und die Heilung der angegriffenen Lederhaut, damit die Verbindung zum Hufbein aufrechterhalten beziehungsweise wieder hergestellt wird.

Zu den begleitenden Maßnahmen, die der Pferdehalter durchführen sollte, gibt es unterschiedliche Ansichten: Die Befürworter einer Kühlung der Hufe verweisen auf den schmerzdämpfenden Effekt dieser Maßnahme, der die Gefäßkrämpfe reduziert und damit die Durchblutung normalisiert. Für eine wärmende Therapie jedoch spricht der Umstand, daß auf diesem Wege sofort eine bessere Blutversorgung eintritt. Der Schmerz allerdings kann zunächst verstärkt werden. Strittig ist oft die Frage der Anwendung entzündungshemmender und schmerzstillender Medikamente.

Das klinische Erscheinungsbild verlangt geradezu nach schmerz- und entzündungshemmenden Mitteln. Das Wissen um die Verlaufsmechanismen und die Funktion des Hufbeinträgers verbietet es aber. Ist der Mechanismus der Zusammenhangstrennung in Gang gekommen, muß die Belastung des Hufbeinträgers reduziert werden. Dies gelingt am besten neben der Trachtenhochstellung durch Liegen. Die Trachtenhochstellung kann durch Gips, Kunststoffverbänden oder mit dem DallerHufschuh mit Keilplatte geschehen. Schmerzmittel täuschen durch ihre Wirkung eine Besserung des Zustandes vor, die in Wirklichkeit nicht vorliegt. Somit soll im Anfangsstadium der Rehe das Pferd nicht bewegt werden, um das Risiko einer Verlagerung des Hufbeins nicht zu erhöhen. Liegende Pferde soll man aus diesem Grund nicht auftreiben, da das Hufbein im Liegen optimal entlastet wird. Später erfolgt dann eine Bewegung nach tierärztlicher Vorgabe. Mit Korrekturen am Barhuf oder entsprechenden Beschlägen wird die Behandlung nach dem Abklingen des Reheanfalls fortgesetzt. Dabei versucht man eine Entlastung der Spitze des Hufbeines sowie eine plane Fußung zu erreichen. Rehebedingte Verformungen werden so verhindert oder bei ihrem Auftreten nach Möglichkeit ausgeglichen.

Die Hufzubereitung und Beschlag

Die vordere Hufplatte ist von der Krone ab plan zu beraspeln, die Knolle ist total zu entfernen um die Wiederherstellung des parallelen Verlaufes der Hornwand mit dem Hufbein zu gewährleisten (Röntgenbild). Die Trachten werden, soweit es geht gekürzt, um ein ebenes Fußen des Hufbeins zu ermöglichen. An der Vorderseite der Hufplatte ist eine Schwebe anzubringen, somit wird der erkrankte Teil des Tragerandes aus der Belastung genommen. Als orthopädischer Beschlag ist das modifizierte Eisen nach BOLZ zu verwenden, es besteht aus einem fabrikmäßigem Eisen, in das ein Mittelsteg geschweißt ist. Dieser Mittelsteg soll 1 cm hinter der Strahlspitze liegen und die Hufbeinmitte unterstützen. Er darf aber nicht auf der Strahlspitze oder dem Sohlenkörper aufliegen, da es sonst durch den anhaltenden Druck Veränderungen am Hufbein hervorruft. Um ein besseres Abrollen zu ermöglichen, ist das Eisen mit einer kurzen angeschmiedeten Zehenrichtung zu versehen. Um ein Verrutschen des Eisens zu verhindern, sind Eisen mit Seitenaufzügen zu verwenden. Die Schenkelenden sind lang genug zu halten und bei starker Trachtenfußung als Trachtenlehne aufzubiegen. Zur breiten Unterstützung der Tragfähigkeit der Sohle in ihren hinteren Abschnitten, wird die Sohlwölbung über dem Steg, den Eckstreben, Sohlenschenkel und Strahlfurche mit Huflederkitt unterpolstert. Beim Aufnageln der Eisen sind die Zehennägel wegzulassen.

Prognose: Die Prognose einer akuten Hufrehe ist auch bei rechtzeitiger Behandlung innerhalb der ersten zwölf Stunden immer unsicher. Ungünstig bis schlecht wird es jedoch immer dann, wenn schon eine Verlagerung des Hufbeines eingesetzt und die Krankheit damit einen chronischen Charakter bekommen hat. Diese Hufbeinrotation kann im ungünstigsten Fall bereits 48 Stunden nach Beginn der Krankheit auftreten. Einmal von Rehe betroffene Pferde neigen zu wiederholten Erkrankungen. Da kommt der Vorsorge besondere Bedeutung zu.

Hinweis: Es ist in jedem Fall hilfreich, weil schmerzstillend, die Hufe des Pferdes schon in der Wartezeit auf den Tierarzt mit Wasser zu kühlen. Liegende Pferde treibt man nicht auf, sondern legt einen nassen Hufverband, den man in zehnminütigen Abständen angießt, im Liegen an.

Die Schweregrade der Hufrehe lassen sich nach den von OBEL (1948) erarbeiteten Kriterien festlegen:

Obel-Grad 1: In stehender Position hebt das Pferd beständig wechselnd die Füße, und zwar in Abständen von nur wenigen Sekunden (Paddeln). Im Gang zeigt sich keine deutliche Lahmheit, doch ist er kurz gestelzt.

Obel-Grad 2: Das Pferd geht bereitwillig im Schritt, jedoch ist die Art des Ganges charakteristisch für Rehe. Ein Vorderfuß kann noch ohne Schwierigkeiten gehoben werden.

Obel-Grad 3: Das Pferd bewegt sich nur sehr widerwillig. Es leistet energischen Widerstand beim passiven Anheben eines Vorderfußes.

Obel-Grad 4: In diesem Stadium bewegt sich das Pferd nicht, es muß dazu gezwungen werden.

Ponys erkranken 7- bis 9- jähig, andere Rassen 4- bis 6- jährig am häufigsten.